2023 | 13. August
Interview: «Wir brechen gerne mit Konventionen»
Während des Studiums eine Agentur gründen? Funktioniert, wie das Beispiel von Linus Eidenbenz zeigt. Er ist Mitgründer der Kreativagentur JEFF und Absolvent des Bachelor Business Communications. Im Gespräch erzählt er vom kürzlich gefeierten Agenturjubiläum, seinem unbeugsamen Leistungswillen, dem er auch seinen Bachelor-Abschluss verdankt, und seinen Träumen in seiner neuen JEFF-Rolle.
Interview: Laura Oderbolz
Laura Oderbolz: Linus, herzlichen Glückwunsch zum 10-jährigen Jubiläum von JEFF. Die Feierlichkeiten im Hotel JEFF sind schon eine Weile vorbei. Seid ihr als Agentur wieder im Alltag angekommen?
Linus Eidenbenz: Jein, nur teilweise. Wir sind zwar wieder im Agenturalltag angekommen, die Feierlichkeiten haben aber eigentlich erst begonnen. Die Jubiläumswoche im Hotel war der erste grosse Paukenschlag. Im Rahmen des Jubiläums stehen bei uns verschiedene Projekte an, unter anderem launchen wir gerade unser neues CI/CD und die neue Website wird sehr bald online gehen – und Ende Jahr, oder vielleicht auch etwas später, folgt noch eine grosse Überraschung, über die ich leider noch nichts verraten darf. Das Jubiläumsjahr ist also noch nicht vorbei.
Im Rahmen eures Agenturjubiläums seid ihr für eine Woche in euer eigenes «Hotel JEFF» am Limmatquai in Zürich gezogen und habt (Neu-)Kund:innen zu verschiedenen Aktivitäten eingeladen. Wie seid ihr auf die Idee mit dem Hotel gekommen?
Die Idee, ein Hotel zu übernehmen, ist eigentlich aus einem Interview mit der NZZ aus dem Jahr 2017 entstanden. Damals sagte ich, dass wir bei JEFF bereit wären, ein Weingut oder auch ein Hotel zu übernehmen – letzteres konnten wir nun dieses Jahr mit einem Augenzwinkern realisieren. Das Hotel steht für mich prototypisch für das, wofür JEFF steht: Wir sind ein kunterbunter Haufen an Quereinsteiger:innen und Allrounder:innen. Und was im Zentrum unseres Tuns steht ist Projektmanagement. Das können wir, denk ich, richtig gut und so sind wir auch im Nu fähig, ein Hotel zu führen. Und noch ganz andere Dinge. Das ist und bleibt auch für die Zukunft in unserer DNA und ich bin sehr gespannt, was wir noch alles anreissen werden.
Deshalb auch das Jubiläums-Motto «Träum wiiter»?
Ja, ganz genau. #träumwiiter war implizit schon bei der Gründung unser Motto: Niemand hat auf uns gewartet und wir hätten uns nicht im Traum vorstellen können, eines Tages die Agenturlandschaft so aufzumischen und mit unseren 70 Mitarbeitenden zu einem der grösseren unabhängigen Playern zu werden. Wir werden noch ganz lange «wiiter träume» und dass wir genau das richtig gut können, gelang uns denk ich auch bei der Jubiläumswoche sehr gut unter Beweis zu stellen.
Hotel JEFF - Limmatquai 88, 8001 Zürich
Wie bringt man dieses #träumwiiter denn rüber?
Sagen wir mal so: Bei unserer Vorstellung von perfektem Storytelling läuft vieles implizit ab. Das heisst, wir wollen gar nicht so genau sagen, was wir jeweils meinen. Es liegt also im Auge des Betrachtenden, wie man diese Jubiläumswoche und die einzelnen Aktivitäten interpretieren möchte. Wir wollten sicher keine verkäuferische Nabelschau veranstalten. Vielmehr fühlten wir uns als Agentur in diesem Projekt widergespiegelt und spürten deutlich, dass es JEFFs Handschrift trug.
Dass wir nicht immer von Anfang an wissen, in welche Richtung unsere Projekte verlaufen, zeigt das Beispiel unserer Einladung zur Jubiläumswoche: Wir hatten ein relativ kompliziertes Einladungsmanagement mit einem sehr langen Einladungstext, den wir in Form eines Newsbeitrags verfasst und als E-Mail versendet haben. Nicht gerade die klassische Form einer Einladung und an sich gegen alle Regeln der Kunst, weil nicht marktschreierisch oben stand «du bist eingeladen», sondern wir den Gästen quasi zugemutet haben, dass sie erstmal die Geschichte inhalieren müssen, bevor sie begreifen um was es hier geht und dass sie tatsächlich eingeladen sind. Es gab Leute, die die E-Mail nicht gelesen haben, andere haben nicht verstanden, dass man sich hier anmelden muss. Aber bei denjenigen, die es gelesen haben, hat es eine totale Begeisterung ausgelöst und diejenigen, die es überflogen haben, haben ernsthaft gedacht, wir machen jetzt ein eigenes Hotel auf.
«Ich wurde von dutzenden Leuten
angesprochen, ob wir noch alle
Tassen im Schrank hätten,
ein Hotel zu eröffnen.»
«Ich wurde von dutzenden Leuten
angesprochen, ob wir noch alle
Tassen im Schrank hätten,
ein Hotel zu eröffnen.»
Ein augenscheinlich nicht sinnvoller Einladungstext hat also dank unserem Stil viel mehr gemacht als nur Gäste eingeladen, er hat der Geschichte unseres Hotels Flügel gegeben und die Gerüchte haben sich in einer wunderbaren Eigendynamik in die Welt verteilt . Und die, die dann da waren, kamen voll auf ihre Kosten: So schaute sich etwa ein Kunde, der bei uns im Hotel buchstäblich im Bett lag, eine Projektion an und war sich danach sicher, mit uns zusammen arbeiten zu wollen. Und das, ohne dass wir pitchen mussten.
Diese Einladungs-Episode ist sinnbildlich für unser Verständnis von Storytelling. Wenn uns jemand sagt, dass die Leute auf Youtube eine durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von neun Sekunden haben, dann liegt der Fokus für uns nicht auf dem Erfüllen der neun Sekunden, sondern darauf, wie wir es mit unserem Storytelling schaffen, die Leute emotional zu triggern, etwas auszulösen, damit sie sich das Video anschauen, das dann aber vielleicht auch mal drei Minuten dauert.
«Wir brechen gerne mit Konventionen.
Nicht, damit sie partout gebrochen
sind, sondern weil sie uns egal sind und
weil wir grosses Potential darin sehen,
Dinge anders zu tun alles alle andern.
Das löst in aller Regel nur schon
dadurch Aufmerksamkeit aus.»
«Wir brechen gerne mit Konventionen.
Nicht, damit sie partout gebrochen
sind, sondern weil sie uns egal sind und
weil wir grosses Potential darin sehen,
Dinge anders zu tun alles alle andern.
Das löst in aller Regel nur schon
dadurch Aufmerksamkeit aus.»
Was mich besonders stolz macht: Das Jubiläum wurde von einem Team aus Mitarbeitenden geleitet, die erst seit zwei bis vier Jahren Teil von JEFF sind. Ich war bis aufs Einladungsmanagement und ein paar Kleintasks beim Konzept und der Organisation nicht involviert und trotzdem, oder erst recht (lacht), trug diese Woche die hundertprozentige Handschrift unseres Ladens. Das hat mich sehr beeindruckt und auch wirklich bewegt.
Das klingt wirklich nach einer tollen Woche! Wenn wir auf die Anfänge von JEFF zurückblicken: Wie ich von deinem ehemaligen Studiengangsleiter Cyril Meier erfahren habe, hast du JEFF während deines Bachelors an der HWZ gegründet. Wie kam es dazu?
Das stimmt, jedoch muss ich da etwas ausholen. Schon während meiner «Gymi-Zeit» und auch danach habe ich mit Freunden Events wie die Polyparty an der ETH organisiert. Irgendwann nahm das eine solche Dimension an, dass uns ein Anwalt riet, eine Firma zu gründen. So entstand die erste Firma. Parallel dazu begann ich mein Vollzeit-Kommunikationsstudium in Winterthur und dachte, ich könnte nebenbei weiter für meine Firma arbeiten, um eben mein Studium zu finanzieren. Das hat nicht funktioniert. Und so musste ich das Studium nach einem Semester abbrechen. Im Nachhinein musste ich mir eingestehen, dass das Studienmodell der ZHAW nicht zu mir gepasst hat.
Und so hast du den Weg an die HWZ gefunden?
Genau. Die Uni war für mich ein rotes Tuch, weil ich mir nicht vorstellen konnte, in einem grossen Hörsaal zu sitzen. So bin ich auf die HWZ gestossen. Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erwiesen hat. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das erste Gespräch mit Cyril Meier. Dass er sich extra Zeit für mich genommen hat, mehr über meine Beweggründe zu erfahren und mir mehr über den Studiengang zu erzählen, hat mich sehr beeindruckt – und sofort überzeugt. Rückblickend habe ich vor allem Cyril viel zu verdanken, aber auch der HWZ generell, die ein berufsbegleitendes Studium ermöglicht.
Arbeit und Studium zu verbinden, kam für dich wie gerufen...
Auf jeden Fall. Während meines Studiums an der HWZ habe ich aus meiner ersten Firma heraus – jetzt komme ich auf deine Frage zurück – die Agentur JEFF gegründet.
Dank des Bachelorstudiums konnte ich das Gelernte direkt in die Gründung einfliessen lassen und meine eigene Agentur Schritt für Schritt formen. Wir wären mit JEFF nie dort, wo wir es heute sind, wenn ich nicht an der HWZ studiert hätte.
Und mein Beispiel zeigt sehr gut, dass sich das Studium nicht nur an «normale» Arbeitnehmer:innen richtet, sondern eben auch an Leute wie mich, die ihre eigene Firma aufbauen möchten. Auch wenn man im Vergleich zu einem Vollzeitstudium viel weniger Stunden an der Hochschule verbringt, habe ich diese kurze Zeit als wahnsinnig intensive Lernerfahrung empfunden.
Eine Agenturgründung während des Studiums stelle ich mir ziemlich intensiv vor. Hand aufs Herz: Kam das Studium in dieser Zeit etwas zu kurz?
Definitiv (lacht). Ich hatte und habe immer noch eine grosse Leistungs- oder gar Leidensbereitschaft und deshalb war es für mich kein Problem, bis spät in die Nacht zu arbeiten. Egal, ob es sich damals um Aufgaben handelte, die mit dem Aufbau der Agentur zusammenhingen, oder eben um Aufgaben für das Studium. Und trotzdem kam das Studium in dieser Zeit etwas zu kurz. Ich muss zugeben, dass ich gerade hinsichtlich der Anwesenheitspflicht das Maximum herausgeholt habe. Allerdings habe ich einmal in einem Fach die Note 1 kassiert, weil ich es einfach nicht geschafft habe, den Unterricht zu besuchen und zu spät gemerkt habe, dass in diesem Fach Anwesenheitspflicht gilt. Zum Glück konnte ich das mit zwei anderen Fächern wieder ausgleichen. Auch die Bachelorarbeit konnte ich nicht wie alle anderen rechtzeitig abgeben. Diese folgte dann ein Jahr nach dem Abschluss.
Linus Eidenbenz, Founder & Partner
Das Thema Entrepreneurship hat mittlerweile im Bachelor Business Communications einen hohen Stellenwert. War das zu deiner Zeit an der HWZ ähnlich? Und hast du dich dabei für die Gründung von JEFF inspirieren lassen?
Der Entscheid, mich selbständig zu machen, stand schon lange vor meinem Studium an der HWZ fest. Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr daran erinnern, ein spezifisches Fach zum Thema Entrepreneurship gehabt zu haben. Aber ich habe natürlich während des Studiums von sehr vielen unterschiedlichen Persönlichkeiten – Dozierenden – profitiert, die sehr wirtschaftsnah aus ihrem Alltag erzählten und uns Studierende ermutigten, unseren eigenen Weg zu gehen. Das war sehr inspirierend. Die HWZ ist für mich wie ein weisses Blatt Papier. Sie lässt den Studierenden in gewisser Weise freie Hand, was sie – aus dem Unterricht – mitnehmen wollen und was nicht. Und das spürt man auch sehr stark bei den Dozierenden, die meiner Meinung nach ihren Unterricht zu einem grossen Teil sehr frei gestalten durften.
Du erwähnst, dass du vor allem davon profitieren konntest, das Gelernte direkt in deinem Arbeitsalltag einzusetzen. Wovon hast du von deinem Studium an der HWZ zusätzlich profitiert?
Richtig, aber auch die vielen Gruppenarbeiten, Projektarbeiten und Präsentationen waren sehr wertvoll. Beeindruckend fand ich übrigens auch, wie viel Mühe ihr euch bei der Auswahl der Dozierenden gegeben habt. Klar, gab es auch zu meiner Zeit Fächer, die etwas schwächer besetzt waren als andere. Meiner Meinung nach waren die Dozierende gerade im Vergleich zur ZHAW, wo man oft nur von Assistent:innen unterrichtet wurde, deutlich besser. Hier die perfekte Mischung an Dozierenden zu finden, ist nicht einfach, aber euch ist das unglaublich gut gelungen.
«Ihr wart und seid für mich wie ein
Speedboat, das sehr agil mit vielen
coolen Leuten unterwegs ist, die den
Anspruch haben, den Studierenden
wirklich etwas aus der Praxis zu vermitteln.»
«Ihr wart und seid für mich wie ein
Speedboat, das sehr agil mit vielen
coolen Leuten unterwegs ist, die den
Anspruch haben, den Studierenden
wirklich etwas aus der Praxis zu vermitteln.»
Ich bin zwar kein Experte in der Schweizer Bildungslandschaft, aber ich bin mir sicher, dass es wenige Institutionen gibt, an denen ich meine Selbstständigkeit und das Studium unter einen Hut hätte bringen können.
Schön zu hören! Bis Anfang dieses Jahres warst du als Geschäftsleitungsmitglied tätig. Nun hast du die Geschäftsleitung abgegeben, bist aber weiterhin Partner. Weshalb?
Ich war von Anfang an in der Geschäftsleitung, ohne dass ich mich jemals gefragt habe, ob ich das wirklich will. Es war an der Zeit, meine Stärken und auch meine Wünsche zu hinterfragen. Ausschlaggebend war ein Feedback der Mitarbeitenden, die sagten, ich hätte zu viele Hüte auf. Das hat dazu geführt, dass ich eines Abends bei einem Glas Wein meine grösseren Aufgaben aufgeschrieben und diese anschliessend priorisiert habe. Das Thema Geschäftsleitung stand weit unten. Es wurde einmal mehr klar: ich liebe die Front. Das Projektbusiness, die Kundenkontakte, das arbeiten mit den Dienstleistern und allem voran das Arbeiten auf den Projekten mit unseren Mitarbeitenden. Ich arbeite nun durch diesen Wechsel nicht weniger, das war auch nicht zu erwarten. Aber ich hab etwas mehr Head Space auf den Themen, auf denen ich wirklich einen Mehrwert schaffen kann. Und dieser Wechsel war auch nur dank unseres Partnermodells möglich: Die neue Geschäftsleitung ist mit top Leuten mit langjähriger JEFF-Erfahrung ausgestattet. Das hat den Schritt überhaupt erst möglich gemacht.
Im Sinne des Mottos Jubiläumswoche «Träum wiiter»: Wovon träumst du? Und ist JEFF noch Teil dieser Träume?
«Träum wiiter» war ein Appell an uns selbst. Dieses Motto spiegelt unsere Begeisterung wider. Das, was uns als Team gemeinsam verbindet. Es ist wie ein Zustand, der uns beschreibt.
Natürlich habe ich auch persönliche Träume. Ich möchte auch in Zukunft Teil von vielen grossartigen Live-Kommunikations-Projekten sein. Ich würde beispielsweise sehr gerne die nächste Expo organisieren, auch wenn dies vorerst illusorisch klingt. Aber es geht genau darum: Ich will nie aufhören, Dinge zu wagen, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. Solange JEFF und ich dieses gemeinsame Versprechen einlösen, werde ich immer ein Teil von JEFF sein – und JEFF ein Teil von mir und meinen Träumen.